Daniyel, du trägst den Adler seit über 30 Jahren auf der Brust, hast die gesamte Jugend der Eintracht durchlaufen und dann mit 17 Jahren dein Profidebüt unter Willi Reimann in der Zweiten Liga gegen Ahlen gegeben. Heute bist du als Trainer bei Feriencamps der Fußballschule und Spielen der Tradi im Einsatz. Was bedeutet dir die Eintracht?
Daniyel: „Die Eintracht ist mir sehr ans Herz gewachsen. Wenn man als Spieler und Trainer so lange hier ist, ist es eine Leidenschaft. Die Eintracht ist ein bedeutender Teil meines Lebens.“
Seit wann bist du im Trainerteam der Fußballschule und wie bist du zur Fußballschule gekommen?
Daniyel: „Als ich Trainer der U19 war, hatte ich erste Berührungspunkte mit der Tradi. Die Jungs fragten mich, ob ich nicht Lust hätte, bei der Tradi zu kicken. So ging es weiter. Viele Spieler sind auch Trainer in der Fußballschule, und so kam eins zum anderen. Und natürlich hatte ich auch Lust, als Trainer mit den Kleinen zu arbeiten. Das war ungefähr 2017.“
Was bedeutet dir die Arbeit mit Kids im Rahmen der Fußballcamps?
Daniyel: „Die Arbeit mit Kids ist eine tolle Abwechslung zu meiner Haupttätigkeit. Mit Kindern ist es immer sehr besonders, weil sie mit einem Funkeln in den Augen zu den Camps kommen. Sie wollen was Neues lernen, sind aber gleichzeitig mit viel Leidenschaft bei der Sache dabei. Es ist beeindruckend zu sehen, welche Entwicklung sie im Rahmen der viertägigen Camps nehmen.“
Mit der Tradi bist du öfter in ganz Hessen unterwegs. Ihr habt einen tollen Zusammenhalt innerhalb der Truppe. Was ist die Tradimannschaft für dich?
Daniyel: „Ich glaube, wenn man als aktiver Fußballer aufhört zu spielen, dann vermisst man die Kabine. Die Gespräche dort, dieses Gefühl, wenn man täglich mit den Jungs zusammengesessen hat. Für viele ist die Mannschaft wie eine zweite Familie. Das ist das, was die Tradi ausmacht. Man führt private Gespräche und spielt gerne zusammen Fußball.“
Du bist mit neun Jahren von deinem Heimatklub SG Nieder-Roden zur Eintracht gewechselt. Wie kam es zu diesem frühen Wechsel?
Daniyel: „Mit Nieder-Roden haben wir bei einem Hallenturnier die Eintracht im Finale bezwungen. Daraufhin kam ein Angebot von der Eintracht. Ich habe nicht gezögert und habe sofort angenommen. Für meine Familie war das aber eine riesige Belastung. Wir trainierten dreimal pro Woche, dazu kamen Spiele am Wochenende und jederzeit die zeitaufwendigen Fahrten an den Riederwald.“
Die Investitionen haben sich bezahlt gemacht. Ab der C-Jugend hast du regelmäßig für die Juniorennationalmannschaft gespielt. Wie hast du diese Zeit wahrgenommen? Später hast du sogar als B-Jugendlicher bereits in der U19 gespielt.
Daniyel: „Das war eine sehr intensive Zeit. Teilweise war ich mit zwei Jahrgängen der Juniorennationalmannschaft unterwegs, das waren die 1984er und 85er. Das war wie ein Ritt auf der Welle. Man hat gar nicht richtig wahrgenommen, was passiert. Es ging alles sehr schnell. Erst zum Ende der aktiven Spielerkarriere hin hat man gemerkt, was man alles erlebt hat.“
Mit 17 Jahren hast du deinen ersten Profivertrag bekommen. Zunächst hast du ein paar Spiele bei der zweiten Mannschaft gemacht, dann warst du bei den Profis. Dort wurdest du beim 4:1 gegen Ahlen eingewechselt. Schildere‘ uns kurz diesen Tag bitte.
Daniyel: „Die Vorbereitungen waren wie bei jedem Heimspiel auch. Wir waren gemeinsam im Hotel, sind dann Richtung Stadion gefahren, der Trainer hat die Aufstellung gemacht. Vieles hat sich dann während des Spiels entwickelt. Nach dem dritten und vierten Tor hatte ich eine kleine Hoffnung. Dann kam das Zeichen beim Aufwärmen, dass ich reinkommen sollte. Die Nervosität war extrem hoch, doch nach der ersten gelungenen Aktion fiel alles ab. Ich konnte die letzten 20 Minuten des Spiels genießen.“
Das Adrenalin schoss mir in die Adern, sofort war die Spannung da.
Daniyel Cimen, über seine bevorstehende Einwechslung im Pokalfinale 2005/06.
Willi Reimann ist kürzlich 75 Jahre alt geworden. Wie hast du ihn damals als Trainer und Mensch wahrgenommen?
Daniyel: „Willi war ein autoritärer Trainer mit einer beeindruckenden Spielervita. Er legte viel Wert auf Disziplin und Fitness und wollte, dass wir an unsere Grenzen gehen. Das war die Basis für den Aufstieg.“
Später kam Friedhelm Funkel. Wie hast du ihn erlebt?
Daniyel: „Jeder Trainer legt seine Priorität auf gewisse Werte. Bei Friedhelm stand die defensive Disziplin im Vordergrund. Sein Ziel war es, so lange wie möglich die Null zu halten. Er war aber auch ein sehr guter Motivator mit elektrisierenden Ansprachen.“
Mit der Eintracht ging es hoch und wieder runter. 2003 der Aufstieg in die Bundesliga, ein Jahr später der Abstieg, 2005 der sofortige Wiederaufstieg. Wie hast du diese wilde Zeit bei der Eintracht als junger Erwachsener wahrgenommen?
Daniyel: „Ich habe versucht, das auszublenden. Mein Fokus lag auf dem Sport. Mein Traum, Profifußballer zu werden, wurde wahr. Für mich war es sehr wichtig, Spielminuten zu kriegen und den Durchbruch zu schaffen. Es war magisch, den Aufstieg 2002/03 mit dem Reutlingen-Spiel mitzuerleben, persönlich habe ich aber nur einen sehr kleinen Teil dazu beigetragen. 2004/05 hingegen hatten wir eine Mannschaft mit vielen jungen, hungrigen Spielern. Da haben wir schon am Anfang der Saison gemerkt, dass etwas möglich ist. Dieser Spirit hat uns dann die gesamte Runde über begleitet. Das war eine sehr lehrreiche Zeit für mich.“
2005/06 folgte zunächst dein Bundesliga-Debüt beim 0:1 gegen den VfL Wolfsburg unter Friedhelm Funkel. Es folgte ein Pokalmärchen mit dem Einzug ins DFB-Pokalfinale, wodurch die Teilnahme im Europapokal sicher war.
Daniyel: „Zunächst einmal war am Pokalfinale anders, dass es wegen der WM in Deutschland schon Ende April stattfand. Zeitgleich spielten wir in der Liga noch um den Klassenerhalt. Wir reisten zwei Tage vor dem Spiel nach Berlin und trainierten vor Ort. Schon bei der Anfahrt hatten wir ein besonderes Gefühl. Umso näher es zum Anpfiff kam, umso größer wurde die Anspannung.
Ihr musstet euch knapp mit 0:1 den Münchner Bayern geschlagen geben. Du hast ebenfalls ins Spiel eingegriffen. Wie sind deine Erinnerungen ans Pokalfinale?
Daniyel: „Am Spieltag selbst musste ich die bittere Pille schlucken, nicht von Anfang an zu spielen. Der Trainer setzte auf die Dreierkette mit Marco Rehmer, Marco Russ und Aleksandar Vasoski. Ich habe mein persönliches Befinden hinten angestellt, weil wir gemeinsam die Sensation schaffen wollten. Die Atmosphäre im Berliner Olympiastadion war unglaublich. 75.000 Zuschauer, volle Hütte. Nach etwa einer halben Stunde hat sich Marco Rehmer verletzt und ich kam rein. Das Adrenalin schoss mir in die Adern, sofort war die Spannung da. Nach einem Eckball erzielte Pizarro das 1:0 für die Bayern, doch wir haben uns gegenseitig gepusht und einen tollen Pokalfight abgeliefert. Leider reichte es am Ende nicht zum Ausgleich.“
Nach Stationen in Braunschweig, Offenbach und Aue hattest du mit ernsthaften Verletzungen zu tun. Die Rede war zunächst von einem Muskelfaserriss, worauf ein Sehnenriss im Wadenbereich folgte. Eine bittere Zeit begann …
Daniyel: „Die Verletzungen haben in Offenbach angefangen. Wir spielten eine solide Hinrunde. Kurz vor der Winterpause habe ich mir einen Muskelfaserriss zugezogen. Nachdem das verheilt ist, habe ich mir den Sehnenübergang an der Wade gerissen. Diese Verletzung hat mich sehr lange begleitet. Auch nachdem die Verletzung ausgeheilt war, kam es immer wieder zu Muskelfaser- und Sehnenrissen. Dann war die Saison vorbei, wir stiegen ab, ich war verletzt und stand ohne Verein da. Mein Berater rief mich an und meinte, dass Erzgebirge Aue interessiert war. Zu der Zeit spielten sie in der Dritten Liga und hatten das Ziel, in zwei Jahren Zweite Bundesliga zu spielen. Sie wussten von meiner Verletzung. Ich stieß in der dritten, vierten Woche der Sommervorbereitung zum Training dazu. Bis Herbst lief es ordentlich, wir standen mit einer neuen Mannschaft im oberen Tabellendrittel. Doch im Herbst ging es wieder los, Muskelfaserrisse in Oberschenkel und der Wade. Ich begann der Ursache auf den Grund zu gehen, ging zum Zahnarzt, Heilpraktiker, Chiropraktiker und so weiter. Doch es half alles nichts. Im zweiten Jahr stieg der Verein auf, doch für mich war die Zeit in Aue beendet. Generell war für mich Fußball zweitrangig. Ich wollte wissen, ob ich überhaupt noch Leistungssport betreiben kann. Ich ging zurück nach Hessen und kurze Zeit später bekam ich Anrufe von Holger Müller und Armin Kraaz von der NLZ-Leitung, ob ich mich nicht beim Oscar [Corrochano, in der U23; Anm. d. Red.] fit halten möchte.“
Anfangs hast du gezögert, doch letztlich hast du das Angebot angenommen. Hattest du die Hoffnung, es nochmal in die Bundesliga zu schaffen?
Daniyel: „Zunächst wollte ich wieder trainieren und nur gesund werden. Uwe Bindewald hat dann die U17 übernommen, ich wurde spielender Co-Trainer bei der U23. In der Zeit machte Oscar seinen Fußballlehrer. Glücklicherweise blieb ich dann weitestgehend von Verletzungen verschont. Alles war top, ich war zuhause. Und ich hatte eine Perspektive im Verein: Ich konnte nach und nach meine Trainerscheine machen.“
In zwei Jahren hast du 58 Regionalligaspiele absolviert. Mit Elia Soriano, Marcos Alvarez, Cenk Tosun, Dimitrij Nazarov und Anthony Jung hattet ihr eine bärenstarke Truppe und habt um den Aufstieg mitgespielt. Wie erinnerst du dich zurück an diese Mannschaft?
Daniyel: „Das ist eine Zeit, an die ich sehr gerne zurückdenke. Unvergessliche Jahre. Wir hatten tolle Mannschaften, mit viel Kameradschaft. Mit 25 Jahren galt ich als älterer Spieler in den Teams. Egal, wer von den Profis zur U23 runterkam, wir haben immer harmoniert. In der Zeit lernte ich auch Patrick Schaaf kennen. Er kommt aus dem Vogelsberg, wechselte damals aus Flieden zur Eintracht. Mit ihm arbeite ich heute wieder in Fulda zusammen, er ist mein Spieler dort.“
Mit Michael Fink standest du bis zuletzt an der Seitenlinie beim FC Gießen. Mit welchen ehemaligen Teamkollegen stehst du im engen Austausch?
Daniyel: „Micha Fink ist einer meiner engsten Freunde, wir stehen sehr regelmäßig im Austausch. Ich stehe aber auch regelmäßig mit anderen Trainerkollegen im Austausch.“
2012 hast du den Schritt ins Trainergeschäft gewagt und hast die U19 übernommen. Was war der Grund für dich zu sagen, dass du Trainer werden willst?
Daniyel: „Ich habe den Fußball als Spieler und spielender Co-Trainer kennengelernt. Ursprünglich sollte Oscar Corrochano die U19 übernehmen, doch ihn zog es zum SSV Jahn Regensburg in die Zweite Bundesliga. Letztlich sprach ich mit Holger Müller und Armin Kraaz. Sie fragten mich, ob ich nicht Interesse hätte, U19-Trainer zu werden. Ich entschied mich für die Perspektive.“
Seit 2015 stehst du nun im Seniorenbereich an der Seitenlinie. Zwischenzeitlich kam es sogar zu der kuriosen Situation, dass du mit zwei Mannschaften Tabellenführer warst – als Trainer mit Hessenligist Rot-Weiß Frankfurt und als Spieler mit Hanau 93. An wie vielen Tagen in der Woche warst du in der Zeit mit Fußball beschäftigt?
Daniyel: „Das war eine positiv verrückte Zeit. Damals ist ein guter Freund von mir Trainer bei Hanau 93 in der Kreisoberliga geworden. Zeitgleich war ich Trainer bei Rot-Weiß Frankfurt in der Hessenliga. Wir hatten viermal die Woche Training und am Wochenende Spiel, also war ich fünfmal in der Woche auf dem Platz. Er fragte mich, ob ich nicht Lust hätte, sonntags zu kicken. Ich hatte schon Lust, wollte mich aber nicht vor die Mannschaft stellen – ich bat ihn darum, mit der Mannschaft zu sprechen, ob es für die Jungs in Ordnung wäre, wenn ich ‚nur‘ am Wochenende zu den Spielen käme. Ich brauchte wenigstens einen Tag in der Woche zum Abschalten. Sie sagten mir zu. Obwohl wir das Ziel Klassenerhalt hatten, stiegen wir auf.“
Nach sechs Jahren als Trainer des FC Gießen zog es dich vergangenen Herbst zur SG Barockstadt Fulda-Lehnerz. Was sind deine Ziele mit der Mannschaft?
Daniyel: „Der Verein ist aktuell semi-professionell organisiert und gewillt, von Jahr zu Jahr zu wachsen. Die SG Barockstadt will sich weiter in der Regionalliga Südwest etablieren und sich weiter professionalisieren. Die Verantwortlichen schätzen die Situation sehr realistisch ein.“
Du bist schon über zwölf Jahre im Trainerbusiness und damit ein erfahrener Hase. Was sind deine persönlichen Ambitionen? Soll es in Zukunft höherklassiger gehen? Was sind deine Ziele?
Daniyel: „Ich will immer das Maximale erreichen. Sowohl als Mensch, als auch als Spieler oder Trainer, aber es muss stimmen und ich muss 100 Prozent davon überzeugt sein. Aktuell bin ich in Fulda, fühle mich sehr wohl und habe einen langfristigen Vertrag. Dort will ich etwas mit aufbauen.“
Welche Trainerlizenz hast du? Willst du den Fußballlehrer machen?
Daniyel: „Ich bin im Besitz der Trainer A-Lizenz. Die UEFA Pro-Lizenz möchte ich in jedem Fall in nächster Zeit angehen.“
Du warst Fußballprofi, nun bist du Trainer. Dadurch kennst du den Fußball in- und auswendig. Wie hat sich der Fußball in den vergangenen Jahren verändert?
Daniyel: „In den vergangenen Jahren ist vieles extrem gewachsen. Früher hatte man einen Trainer und einen Co-Trainer. Der ganze Betreuer- und Staff-Bereich mit Athletik-, Reha- und Konditionstrainern ist größer geworden, aber auch das Thema Analyse mit Gegnerbeobachtung und dem Einstudieren von Standards. Man versucht, in jedem Bereich Prozentpunkte rauszukitzeln, wo man sich irgendwie einen Vorteil verschaffen kann. Dafür braucht man die gesamte Manpower. Das ist alles rasant gewachsen.“
Was muss deiner Meinung nach ein guter Trainer mitbringen, um den Sprung ins Profigeschäft zu schaffen? Welche Charaktereigenschaften muss er an den Tag legen?
Daniyel: „Es gibt nicht den Plan A oder Plan B. Ich denke, man muss überzeugt und reflektiert sein. Es gibt viele unterschiedliche Charaktere, Wege und Ansichten, die alle zu Erfolg führen können. Aber alleine schafft man es nicht. Man muss versuchen, die Jungs von seinem Weg zu überzeugen. Dafür braucht man vielleicht gewisse menschliche Fähigkeiten wie Empathie oder Sympathie. Aber am wichtigsten ist, dass man selbst überzeugt ist.“
Welche zukünftige Entwicklung wünschst du dir für den deutschen Fußball und den Fußball im Allgemeinen?
Daniyel: „Mein Wunsch wäre, dass man dem Nachwuchs nicht alles abnimmt. Junge Spieler müssen lernen, mit Widerständen umzugehen. Es gab und gibt keinen Spieler, bei dem es nur steil nach oben ging, sondern man muss sich auch vieles erarbeiten. Nur wenn man es schafft, die Widerstände zu überwinden, dann hat man einen Mehreffekt daraus. Letztlich schlägt Mentalität Qualität.“
Wer war dein verrücktester Mitspieler und was war das Kurioseste, was du jemals im Fußball erlebt hast?
Daniyel: „Das war eine Fahrt mit Sotirios Kyrgiakos. Wir sind nur vom Stadion nach Neu-Isenburg zum Essen gefahren. Wegen seiner rasanten Fahrweise kam ich bei ihm im Auto wahnsinnig ins Schwitzen.“ (lacht)
Was kannst du talentierten Spielern mit auf den Weg geben?
Daniyel: „Keiner kann die Zukunft vorhersehen. Aber tu‘ alles dafür, um das Bestmögliche aus dir herauszuholen. Es ist wie eine Challenge mit dir selber. Umso widerstandsfähiger du bist, umso mehr wirst du erreichen.“
Was war dein schönster Moment mit Eintracht Frankfurt?
Daniyel: „Wenn ich einen schönsten Moment mit der Eintracht auswählen müsste, dann war das der erste Zweitligaeinsatz gegen Ahlen im Profibereich. Der Tag war für mich sehr prägend.“