25.06.2024
Fussballschule

„The German Wall“

In der Rubrik „Im Portrait…“ spricht Fußballschulentrainer Michael Fink, der zwischen 2006 und 2009 100 Mal für die Eintracht auflief, über seine Zeit am Main und einen historischen Triumph im Old Trafford.

Redaktion: „Gude Micha, zunächst herzlichen Glückwunsch zum Aufstieg mit dem FC Gießen in die Regionalliga Südwest und vielen Dank, dass du dir die Zeit für ein kurzes Interview mit uns nimmst. Erzähl‘ uns über deine ersten Berührungspunkte mit der Eintracht Frankfurt Traditionsmannschaft. Wie kam der Kontakt zustande? Über Karl-Heinz „Charly“ Körbel?“

Michael: „Gude allerseits, freut mich auch sehr hier sein zu dürfen. Der Kontakt kam über „Charly“ und Daniyel Cimen zustande. „Charly“ wusste, dass Dani und ich in Kontakt stehen. Seit drei, vier Jahren bin ich nun dabei und es macht mir sehr viel Spaß, mit den Jungs unterwegs zu sein. Natürlich ist es schwer, wenn Dani und ich mit dem FC Gießen unterwegs sind. Aber wenn es passt, sind wir immer gerne dabei.“

Redaktion: „Du bist im Talenttraining der Fußballschule unter Leiter Uwe Bindewald und nun auch seit April 2024 bei den Feriencamps der Fußballschule dabei. Was bedeutet dir die Arbeit mit Kindern? Macht es dir Spaß?“

Michael: „Die Arbeit mit Kids macht mir sehr viel Spaß, ich habe sehr viel Freude dabei. Bei den viertägigen Feriencamps sieht man die Fortschritte und die Entwicklung der Kinder. Daran merkt man, dass man als Trainer und Mensch wahrgenommen wird. Die Kids sind die Zukunft des Fußballs. Umso früher sie ein bestimmtes Niveau erreichen, umso besser ist das für den Fußball.“

Redaktion: „Aktuell trainierst du mit deinem Kumpel Daniyel Cimen zusammen den FC Gießen. Früher standet ihr gemeinsam im Kader der Eintracht. Seid ihr beide gut befreundet?“

Michael: „Wir haben zwar nur ein halbes Jahr zusammengespielt, sind aber bis heute beste Freunde. Der Kontakt ist nie abgeflacht, wir haben uns schon damals immer mal wieder gegenseitig besucht. Er ist mein Trauzeuge und ich sein Trauzeuge. Unsere Frauen verstehen sich super. Seine Philosophie, Fußball zu spielen, passt zu meiner. Wir ergänzen uns gegenseitig.“

Redaktion: „Der Fußball wird immer wieder revolutioniert, seit einigen Jahren gibt es nun den Videoassistenten. Wie siehst du die Entwicklung des Fußballs und welche Entwicklung wünschst du dir für den Fußball allgemein?“

Michael: „Ich finde bemerkenswert, wie viele junge Spieler auf einem guten oder gar sehr guten Niveau spielen und schon Stammspieler sind. Das ist aber die Entwicklung der Trainingsinhalte. Es wird mehr gefördert wie früher, die Eltern haben mehr Möglichkeiten: Feriencamps, Individualtraining, Talenttraining, Nachwuchsleistungszentren, Athletiktraining. Der Fußball wird immer wachsen – Stück für Stück.“

Redaktion: „Du hast in mehreren Vereinen national, als auch international Erfahrung sammeln können – darauf gehen wir gleich näher ein. Was muss sich deiner Meinung nach in der Jugendarbeit in Deutschland allgemein verbessern? Wo siehst du Verbesserungspotential?“

Michael: „Wir sollten wegkommen von Vorgaben und den Kindern mehr Freiheiten geben. Alles wird ab den jüngsten Jahrgängen vorgegeben. Die Kinder müssen lernen, selbstständig zu agieren und Entscheidungen finden. Mit Spielformen wie vier gegen vier oder fünf gegen fünf kommen wir wieder dahin. Der Spieler oder die Spielerin muss selbstständig Lösungen finden können. Nur so geht es.“

Redaktion: „Kommen wir zu deiner Person und deinem Werdegang als Fußballprofi: Du hast sehr früh mit dem Fußball angefangen. Wann & wie waren deine ersten Berührungspunkte mit dem Fußball? Wie bist du an den Fußball herangekommen?“

Michael: „An den Fußball bin ich über meine beiden älteren Brüder gekommen. Meine Mutter hatte mich immer animiert, mit dem Fußball anzufangen, doch ich wollte nicht. Irgendwann war ich mit ihr am Sportplatz gewesen, stand außen, da kam ein Ball angerollt. Den Ball schnappte ich mir und habe angefangen mit ihm zu spielen. Bis heute sagt meine Mutter, dass das mein Anfang war.“

Redaktion: „Du hast dann bei deinem Heimatort Waiblingen angefangen.“

Michael: „Genau. Damals war das noch der VfL Waiblingen, mittlerweile ist dieser Verein zum FSV fusioniert. Von Waiblingen aus ging es zum SV Fellbach, die etwas höher gespielt haben. Da ging es dann gegen VfB Stuttgart und die Stuttgarter Kickers. Wir haben eine gute Rolle in der Liga gespielt.“

Redaktion: „Bis der VfB dich gesichtet hat.“

Michael: „Der VfB ist in den Spielen auf mich aufmerksam geworden. Die wollten mich schon sehr früh, doch meine Eltern meinten, es wäre noch nicht an der Zeit gewesen, ich wäre zu jung. In der C-Jugend wechselte ich dann zum VfB Stuttgart.“

Redaktion: „Beim VfB Stuttgart hast du dann den Sprung in den Seniorenbereich gepackt. War das ein großer Schritt?“

Michael: „Von der C- bis zur A-Jugend durchlief ich alle Mannschaften. Mit der B-Jugend wurden wir Deutscher Meister, mit der A-Jugend Deutscher Pokalsieger. Da hatten wir eine starke Truppe mit Andreas Hinkel (heute Co-Trainer bei Domenico Tedesco) und Kevin Kuranyi. Als A-Jugendlicher durfte ich dann bei den Profis, damals unter Winnie Schäfer, Ralf Rangnick und Felix Magath mittrainieren.

Redaktion: „Bei den Profis konntest du dich aber nicht etablieren.“

Michael: „Die meiste Zeit spielte ich bei den Amateuren. Felix Magath wollte damals mit mir verlängern, aber ich wollte und musste als junger Kerl spielen. Uwe Rapolder war zu der Zeit Trainer von Arminia Bielefeld und hatte mich im Visier. Zu der Zeit spielten sie zweite Liga, ob sie Aufsteigen war zum Zeitpunkt ihrer Anfrage ungewiss. Trotz dessen unterschrieb ich bei Bielefeld. Es sollte die richtige Entscheidung sein, denn die Arminia stieg in die Bundesliga auf. Nach elf Spielen bei den Amateuren kamen für mich immer mehr Einsätze bei den Profis. In der Saison darauf machte ich fast alle Spiele, 33 an der Zahl.“

Redaktion: „Warum nicht 34?“

Michael: „Nach 33 Spielen hatte ich 33 Einsätze. Zum Zeitpunkt des Pokalhalbfinals gegen die Eintracht, wo ich noch bei Bielefeld war, wurde es zum Dilemma für mich. Ich wusste, dass ich im Sommer zur Eintracht gehen werde. Es ging um das Finale gegen Bayern München. Damit war so gut wie klar, dass der Pokalfinalist in der darauffolgenden Saison international spielen wird. Thomas von Heesen, Nachfolger von Uwe Rapolder und Frank Geideck, ließ mich nach der Verkündung des Wechsels zur Eintracht dann auf der Bank sitzen. In meiner Karriere stand ich insgesamt drei Mal im DFB-Pokalhalbfinale, zweimal mit Bielefeld und später mit der Eintracht. Fürs Finale gereicht hat es leider nie.“

Redaktion: „Wie kam der Wechsel zur SGE zustande?“

Michael: „Das lief über meinen damaligen Berater.“

Die Europacup-Spiele waren schon damals der absolute Wahnsinn

Michael Fink.

Redaktion: „Nach deinem Wechsel zur Eintracht wurdest du sofort Stammspieler. Du warst unter anderem bei den UEFA-Cup-Spielen gegen Bröndby & Fenerbahce in der Startaufstellung. Was hast du für Erinnerungen an die Europacup-Spiele? Es war ja dein erstes Jahr in Frankfurt.“

Michael: „Die Europacup-Spiele waren schon damals der absolute Wahnsinn. Ich ging von einem kleinen Verein zu einem großen. Mein allerstes Spiel mit der Eintracht war 2006 in der Play-Off-Runde zum UEFA-Cup gegen Bröndby IF. Vor einer atemberaubenden Kulisse haben wir 4:0 gewonnen und beste Bedingungen für das Rückspiel geschaffen. Einen besseren Start hätte ich mir nicht erhoffen können.“

Redaktion: „Wie war dein Verhältnis zu Trainer Friedhelm Funkel? Was hatte er für eine Art?“

Michael: „Menschlich war er ein top Typ. Seine defensivlastige und kampfbetonte Art, Fußball zu spielen, kam mir sehr entgegen. Bei ihm stand das läuferische und kämpferische im Vordergrund.“

Redaktion: „Nach vielen Höhen & Tiefen mit Unruhen innerhalb des Vereins haben Funkel und Bruchhagen es langfristig geschafft, die Eintracht zu einem bundesligatauglichen Verein zu prägen. Wie hast du das Leben innerhalb des Vereins wahrgenommen? Habt ihr die interne Ruhe wahrgenommen?“

Michael: „Die Unruhe hat man als Spieler mitgekriegt. Heribert Bruchhagen hat die Finanzen damals niedrig gehalten. Mit der Zeit wurde der Verein finanziell stabiler. Sogar der Abstieg 2011 konnte direkt wieder aufgefangen werden. Nach einem Jahr in der zweiten Liga ging es sofort wieder in die erste Liga und dann rasant ins internationale Geschäft. Die Arbeit von Heribert hat Früchte getragen, denn das war die Grundlage für das, wo der Verein heute steht. Er war zur richtigen Zeit, am richtigen Ort. Auch heute muss man gucken, wo die Eintracht herkommt und wo die Eintracht vor 10,15 Jahren stand.“

Redaktion: „2008 hast du das Tor des Monats geschossen. Erinnerst du dich noch an dein Tor? Kannst du in eigenen Worten wiedergeben, wie das Tor zustande kam? Kannst du kurz die Aktion vor dem Tor kommentieren?“

Michael: „Das war ein Freundschaftsspiel im Januar. Wir spielten in Paderborn. Ein Spieler, ich weiß nicht mehr, wer es war, schlug eine Flanke. Ich wusste, dass ich mit dem Kopf nicht rankomme. Also drehte ich mich und machte einen Fallrückzieher. Der Ball landete im Netz. Ich kann mich noch genau an die Situation erinnern, nur nicht an den Schützen der Flanke. Damals spielte Markus Krösche für den SCP. Die Medaille vom Tor des Monats habe ich noch zuhause. Das vergisst man nicht so schnell.“

Redaktion: „Wer war dein verrücktester Mitspieler und warum?“

Michael: „Es ist schwierig, sich auf einen festzulegen. Der skandalöseste war wohl Martin Fenin. Fußballerisch hatte der Junge enormes Potential. Privat hat man leider schon damals gemerkt, dass Martin depressive Züge hatte, teils verrückte Sachen gemacht hat. Der Lustigste war wohl Ümit Korkmaz, er war immer gut drauf und ein witziger Mitspieler. Caio hatte von seiner Technik und seinem Torschuss her tolle Voraussetzungen, konnte sich aber nicht an das Leben eines Profifußballers gewöhnen. Bei ihm lag es an der Einstellung. Ich kann mich an keinen Laktattest erinnern, den Caio auch nur ansatzweise bestanden hat. Nach jeder Pause, egal ob im Sommer oder im Winter, kam er mit Übergewicht zurück.“ (lacht)

Redaktion: „2009 hast du die Eintracht verlassen und bist Richtung Türkei gewechselt. War es Zeit für etwas neues?“

Michael: „Ich wäre gerne bei der Eintracht geblieben. Die Eintracht wollte meinen Vertrag verlängern, zu der Zeit wollten mich Karlsruhe, Hannover, Red Bull Salzburg und Besiktas verpflichten. Nur Heribert spielte nicht mit. Drei Jahre lang war ich Stammspieler bei der Eintracht, Heribert wollte meinen Vertrag zu gleichen Konditionen verlängern – ohne Verbesserung. Finanziell habe ich keinen riesigen Sprung erwartet, allerdings etwas Wertschätzung und ein Entgegenkommen vom Verein. Das gab es leider nicht. Als Profifußballer musst du auch an deine Zeit nach der Karriere denken. Da ich unbedingt international spielen wollte, blieben nur noch Salzburg und Istanbul im Rennen. Bei Besiktas sah es kurz vor Ende der Saison ganz nach Europapokal aus, während Salzburg in die CL-Quali gemusst hätte. So ging es an den Bosporus.“

Redaktion: „Die Türkei war deine erste und einzige Auslandserfahrung. 2011 wurdest du türkischer Pokalsieger. Neben Besiktas warst du noch bei Samsunspor. War das ein großer Unterschied zu Deutschland?“

Michael: „Von der individuellen Qualität der Spieler war das Offensivspiel in der Türkei sehr gut aufgestellt. Doch das Problem war, dass diese Spieler defensiv kaum mitgearbeitet haben, sondern vorne stehen blieben. Fabian Ernst und ich haben dann als Defensivspezialisten die Drecksarbeit erledigt. An diese Art des Fußballs musste ich mich erstmal gewöhnen.“

Redaktion: „Was ist im türkischen Fußball anders als in Deutschland?“

Michael: „Eindeutig die Vereinsstrukturen. Ein Mann, meistens der Präsident, hat dort das Sagen. Zum Teil wurden bei Besiktas Gehälter später gezahlt, als vereinbart. Das wurde bei Samsunspor noch schlimmer. Bis 2019 hatte ich gegen diesen Verein Gerichtsverfahren, sogar vor der FIFA, wegen noch ausstehender Gehaltszahlungen angeklagt. Du kommst dem Verein entgegen und bestehst auf Ratenzahlungen. Nach zwei, drei Monaten kam dann aber nichts mehr. Und das immer und immer wieder aufs Neue. Das war schon nervig.“

Redaktion: „Würdest du einen solchen Wechsel nochmal vornehmen?“

Michael: „Absolut. Sportlich gesehen war die Türkei eine tolle Erfahrung. Mit Besiktas spielten wir im Old Trafford, gewannen sogar 1:0. Am nächsten Morgen wachst du auf und machst die englische Zeitung auf, wo fett „The German Wall“ steht und ein Bild von Fabian [Anm. d. Red.: Fabian Ernst] und mir drin ist. Daran erinnert man sich gerne. Die Mitspieler Quaresma, Hugo Almeida, Guti, Simao, aber auch der türkische Torwart Rüstü Recber waren tolle Persönlichkeiten und Typen. Privat gesehen war es ebenfalls eine schöne Erfahrung. Die Gastfreundschaft ist riesig und die Leute gönnen einem Erfolg. Der Neidfaktor ist nicht so hoch wie in Deutschland.“

Redaktion: „Nach Stationen bei Samsunspor, Erzgebirge Aue & Waldhof Mannheim bist du mit letzterem Verein in die 3. Liga aufgestiegen. Welche Erinnerungen hast du an die Vereine?“

Michael: „In Aue spielte ich rund 2 ½ Jahre zweite Bundesliga, bevor es in die Regionalliga Südwest, zu Waldhof Mannheim ging. Mit ungefähr 34, 35 Jahren kam das Angebot vom SVW. Kenan Kocak, damaliger Trainer der Mannheimer, wollte unbedingt einen spielenden Co-Trainer. Ich ging langsam über in die Planung nach meiner Karriere und sah das zukunftstechnisch als geeigneten Plan an. Der Verein spielte um den Abstieg, verstärkte sich allerdings personell gezielt. Neben mir kam Hanno Balitsch in den Verein. Prompt holten wir die Meisterschaft in der Regionalliga Südwest, stiegen aber in der Relegation zweimal hintereinander nicht auf. Mit dem Waldhof konnte ich mich gut identifizieren, bei den Spielen sah ich unter anderem auch wegen der Fanfreundschaft mit der Eintracht, öfter Mal SGE-Schals.“

Redaktion: „Seit 1.1.2021 bist du beim FC Gießen. Wie sehen deine persönlichen, zukünftigen Ambitionen aus? Was sind deine Ziele?“

Michael: „Kurzfristig ist es auf jeden Fall die Etablierung in der Regionalliga Südwest. Langfristig will ich im Fußball tätig bleiben. Neben meiner Tätigkeit als spielender Co-Trainer, die mir viel Spaß macht, werde ich ab Sommer beim FC Gießen eine weitere neue Rolle als Art sportlicher Leiter einnehmen. Ich bin aber immer offen für Neues. Es muss aber passen.“

Redaktion: „Was war dein schönster Moment mit Eintracht Frankfurt?“

Michael: „Keine leichte Frage, aber ich denke, dass es das erste Spiel mit der Eintracht im Europapokal gegen Bröndby IF war. An diesem Tag hat einfach alles gepasst. Die Kulisse beim Einlaufen auf den Platz war atemberaubend“